Die Luft ist raus
Top-Triathlet Maik Petzold erholt sich in seiner Heimatstadt Bautzen, im Oktober will er in Australien seine Karriere beenden.
von Christian Kluge
Maik Petzold ist zurück in Bautzen gerade rechtzeitig zum Stadtlauf. „Jetzt genieße ich erst einmal paar sonnige Tage in der Heimat", meinte der BLV-Athlet nach den Strapazen der bisherigen Saison. Nach Platz 35 beim Rennen der WTS (World Triathlon Series) Ende August in Stockholm bekannte Petzold: „Die Luft ist vorerst raus. Dieses Mal wollte mein Kopf nicht mehr und nur mein Kollege Christian Prochnow, der ebenfalls Probleme hatte, konnte mich zum finishen motivieren. Jetzt spüre ich mehr denn je die hohen Trainings- und Wettkampfbelastungen der letzten zehn Monate seit Saisonbeginn. Davon war ich 27 Wochen auf Achse, was sicherlich auch einen neuen Rekord darstellt und auch die Basis für die gelungene Olympiaqualifikation war. Mein Ziel ist es dennoch, das letzte große Rennen in der WTS-Serie beim Grand Final in Auckland auf Petzold-Niveau zu bestreiten. Danach soll dann endgültig Schluss sein auf der Kurzstrecke und die Familienplanung sowie die richtige Berufswahl in den Mittelpunkt meiner zukünftigen Entscheidungen rücken."
Training bis an die Grenze
Bis Ende Mai lief es bei Maik Petzold sportlich noch bestens. In Madrid holte er sich das dritte deutsche Olympia-Ticket für London. „Ich bin überglücklich", sagte der Bautzener danach. „Das entscheidende Rennen ist toll für mich gelaufen. Ich glaube, die halbe Lausitz hat mir an diesem Tag die Daumen gedrückt." Damals düste der 34-Jährige direkt aus Spanien ins Höhentrainingslager nach Südfrankreich. In Font Romeu in den Pyrenäen spulte er auf 1 800 Meter Höhe ein hartes Programm ab. „Gleich in der ersten Woche habe ich 30 Stunden trainiert, war dabei 28,5 Kilometer schwimmen, 375 Kilometer auf dem Rad unterwegs und bin 110 Kilometer gelaufen."
Rückblickend vielleicht ein Fehler, den beim Saisonhöhepunkt in London war der Bautzener platt – wenn man bei einer Zeit von 1:50:23 Std. auf der extrem harten olympischen Distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Rad, 10 km Lauf) überhaupt sagen kann. „Es gibt nur eine Anmerkung zu dem Saisonaufbau", sagt Petzold. „Das Höhentraining war perfekt .vom zeitlichen Abstand für Hamburg mit rund 28 Tagen - aber nicht mehr wirksam für London 48 Tage später. Das habe ich auch mit meinem Trainer Wolfgang Thiel im Nachhinein kritisch betrachtet, da in London dieser Vorteil weg war und das Timing nicht stimmte.“
Die Konkurrenz war bei Olympia einfach schneller, vor allem im abschließenden Lauf. „Es gibt Rennen, da läuft es wie von allein. In Hamburg hatte ich ganz andere Beine und die nötige Spannung. Diesmal rannte ich los - und die Beine sagten Nein. Ich wollte den Schritt ziehen, aber die Grundspannung fehlte. Die ist aber nötig, um schnell zu rennen." Glätte 33 Minuten über 10 Kilometer sind wirklich nicht langsam, doch die schnellsten Triathleten wie die Brownlee-Brüder aus Großbritannien bieten eben inzwischen Zeiten von unter 30 Minuten an.
Zuletzt in Stockholm funktionierten die Beine wieder, aber diesmal streikte der Kopf. Der beschäftigte sich derzeit aber nicht mehr nur mit Triathlon, sondern mit ganz anderen Dingen - vielleicht liegt es auch daran, dass es zuletzt nicht mehr so richtig lief beim Bautzener Topathleten, der in der WTS-Rangliste immerhin als zweitbester Deutscher hinter Steffen Justus (5./2 614 Pkt.) auf Platz 15 (1 551 Pkt.) geführt wird. „Mit meiner Frau Nadine habe ich klare Bilder. Sie hat lange genug das Leben an der Seite eines Hochleistungssportlers mitgemacht. Ich möchte die Saison noch gut abschließen und dann ein Übergangsjahr einlegen.“ Die Olympischen Spiele in London – seine zweiten nach Athen 2004 – waren also voraussichtlich auch der Abschluss einer 18-jährigen Karriere im Hochleistungssport. Nadine Petzold schließt derweil gerade ihr Studium der Erziehungswissenschaften ab.
„Natürlich träume ich davon, eine eigene Familie zu gründen", sagt Petzold. „Wir haben es auf jeden Fall so geplant. Ich bin Oberlausitzer mit Leib und Seele. Ich freue mich darauf, wieder ganz in Bautzen zu leben. Ich habe unter anderem ein Angebot von der Sparkasse bekommen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, weiter im Sport zu arbeiten."
Diplomarbeit im Gepäck
Auf dem Weg nach London war Nadine in Trainingslagern und bei Wettkämpfen an seiner Seite - immer mit einem Stapel Bücher für die Diplomarbeit im Gepäck. Seine „Abschlussrunde" wollte er nicht alleine absolvieren. Ist denn Ende 2012 wirklich ganz Schluss mit dem Triathlon? „Einen Ironman kann ich mir gerade nicht vorstellen,- aber warten wir ab. Die Halbdistanz probiere ich vielleicht mal", sagte Petzold nach dem London-Rennen.
Sein Aufenthalt in Bautzen steht - Stadtlauf hin oder her - auf jedem Fall unter dem Motto: „In der Ruhe liegt die Kraft!" Beruhigen dürfte das die auswärtige Konkurrenz am Sonnabend auf jeden Fall nicht, denn auch ein ruhiger Maik Petzold läuft schnell - vor allem, wenn er vorher nicht schon Schwimmen und Radfahren musste. Er hält nicht umsonst seit 2008 den Streckenrekord mit einer Zeit von 30:32 Min. 2011 ging der Sieg an den Ukrainer Leonid Rybak - mit 34:13 Min. Da werden sich die Siegläufer aus Polen, Tschechien, der Ukraine oder Weißrussland diesmal wohl etwas mehr anstrengen müssen, sonst bleibt die Siegprämie in Bautzen.
Endlich ausruhen: Maik Petzold vom BLV Rot-Weiß 90 steht kurz vor dem Ende der Saison und seiner 18-jährigen Karriere. Am Sonnabend rennt er aber wieder beim Bautzener Stadtlauf mit. Foto: Wolfgang Wittchen